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Anschreiben an den Deutschen Richterbund (drb) bzgl. Täterfreundlichkeit im Deutschen Rechtssystem

Lies hier unser Schreiben an den Deutschen Richterbund (drb) vom 14.02.2024:

Sehr verehrte Damen und Herren,

gerade in jüngster Zeit lesen wir in Deutschland immer wieder von Bewährungsstrafen, wenn es um Fälle von (schweren) sexuellen Kindesmissbrauch geht.

Mir ist schon bewusst, dass der Strafrahmen in all diesen Fällen weit ist. Wie hoch eine Strafe am Ende tatsächlich ausfällt, hängt neben der individuellen Schuld der Täterperson, sehr wohl auch von der Haltung der einzelnen Richterinnen und Richter an deutschen Strafgerichten, ab.

Zwei von vielen Beispielen:

https://www.focus.de/panorama/welt/prozess-sexueller-missbrauch-45-jaehriger-bekommt-bewaehrungsstrafe_id_24274499.html

Das Gericht würdigte beim Strafmaß das Geständnis des Angeklagten, auch wenn es „vage und ohne Details“ gewesen sei. Zudem kam ihm zugute, dass er sich bei den Geschädigten entschuldigt hatte. Die Richter berücksichtigten auch, dass er eine Therapie abgeschlossen habe und in einer festen Beziehung mit seiner Frau lebe.

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/urteil-wegen-vergewaltigung-in-luebeck-bewaehrung-fuer-staatsanwalt-19519022-p2.html

Ursächlich für die Tat sei eine dysfunktionale Bewältigungsstrategie gewesen. M. habe sich in einer beruflich bedrohlichen Situation gesehen. Auch seine Ehe sei am Ende gewesen. „Der gewaltsame Missbrauch des Sohnes gab ihm für einen Moment das Machtgefühl zurück.“ Damit folgt das Urteil einer These des forensischen Psychiaters und Prozessgutachters Harald Dreßing. Zugunsten des Beschuldigten berücksichtigte das Gericht, dass es weder vor noch nach der Tat weiter vergleichbare Vorfälle gegeben habe. Strafmildernd wirkte sich außerdem auch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer von zweieinhalb Jahren aus. Vier Monate der Strafe gelten deshalb bereits als verbüßt.

Diese beiden Begründungen sind in so vielerlei Hinsicht falsch. Eine schallende Ohrfeige für alle Betroffene von sexualisierter Gewalt.

Es scheint, als hätten deutsche Strafgerichte ein ernstzunehmendes Problem, nämlich wenn es um die Festsetzung eines angemessenen Strafmaßes im Deliktbereich des sexuellen Kindesmissbrauchs geht. Die Menschen haben die Wahrnehmung von Kuscheljustiz und täterfreundlicher Justiz.

Das lässt sich in Zahlen auch erklären: Noch im Jahr 2019 lag der Anteil der Freiheitstrafen, wegen sexuellen Kindesmissbrauchs, die auf Bewährung ausgesetzt wurden, bei immerhin 82 Prozent.

Das ist besorgniserregend hoch und nahezu gleichbleibend. Wie können Sie das erklären?

Richterliche Unabhängigkeit ist das eine, doch wenn Unsicherheit, oder im Umkehrschluss Arroganz und Selbstgefälligkeit im Richteramt überwiegen, und auch Schöffen nicht wirklich wissen, welche Verantwortung und Möglichkeiten sie haben, dann begünstigt das in Summe unter Umständen diese bedrückende Lage. Dann werden solche Urteile gesprochen, was dazu führt, dass Menschen den Glauben an den Rechtsstaat verlieren

Und dass die Menschen den Glauben an den deutschen Rechtsstaat verlieren, dass zeigen die aktuellen Umfragen.

Wir bitten daher den Deutschen Richterbund um Stellungnahme bis zum 28.02.2024.

Vielen Dank und freundliche Grüße.

Josefine Barbaric
Vorständin

Update vom 20.03.2024:
Antwort des drb auf NLD! Anschreiben vom 14.02.2024

“Sehr geehrte Frau Barbaric,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Für die späte Beantwortung möchten wir uns entschuldigen.

Zu den von Ihnen genannten einzelnen Fällen, über die in der Presse berichtet wurde, können wir uns leider nicht äußern. Wir kennen nicht die gesamte Akte und können daher zum Strafmaß keine Stellung beziehen.

Die vergleichsweise hohe Anzahl an Bewährungsstrafen dürfte – ohne dass diese Zahlen von Seiten des DRB überprüft werden bzw. werden können – darauf zurückzuführen sein, dass es in einer Vielzahl dieser Fälle zu Geständnissen kommt und sich dies in der Höhe der Strafe niederschlägt. Nicht selten ersparen Angeklagten durch ein Geständnis den Geschädigten eine umfangreiche Aussage vor der Strafkammer. Der Wert eines solchen Geständnisses hat dann ein besonderes Gewicht, wenn – wie in diesen Fällen regelmäßig – eine reine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorliegt und ggf. zusätzlich eine Sekundärviktimisierung der Geschädigten durch eine intensive Befragung durch die Verteidigung mit zusätzlichem psychischem Leid für die Geschädigten droht. Nicht verkannt werden darf auch, dass in einem Bekenntnis eines Angeklagten zu seiner Tat wahrhaftige Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen können und durch die Ablegung eines Geständnisses das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert werden kann.

Gerne können Sie sich zur Thematik auch telefonisch mit Präsidiumsmitglied Dr. Oliver Piechaczek austauschen. Er ist dienstlich unter der Telefonnummer [diese Information veröffentlichen wir hier nicht] zu erreichen.

Beste Grüße,

Claudia Keller
Stv. Bundesgeschäftsführerin
Deutscher Richterbund”